Gold zwischen Höhenflug und strukturellen Schwächen


Der zurückliegende Montag war ein Feiertag („Memorial Day“) in den USA und alle Börsen hatten Pause. Der aktive Trade nutzt solche Tage nicht nur zum Luftholen, sondern auch, um sich an den Märkten etwas „umzuschauen“.
Ich will daher ein paar Streiflichter auf den Rohstoff werfen, der in den letzten Wochen und Monaten für vermutlich die meisten Schlagteilen gesorgt hat und die Händler in Euphorie (und Gier) versetzte: GOLD!
Aktuelle Marktentwicklung zeigt Stärke
Der Goldpreis erlebte vergangene Woche einen bemerkenswerten Wiederanstieg um knapp 5 Prozent. Mit 3.358 US-Dollar beziehungsweise 2.954 Euro pro Unze schloss das Edelmetall im US-Futures-Handel praktisch auf Wochenhoch und lag damit nur noch 2,2 Prozent (USD) respektive 1,5 Prozent (EUR) unter den Bestmarken entfernt. Gegenüber der Vorwoche bedeutete dies einen kräftigen Anstieg um 4,8 Prozent in US-Dollar und 2,9 Prozent in Euro.
Entwicklung des Goldpreises ab 1970, inflationsbereinigt — Quelle: macrotrends.net
Als wesentlicher Katalysator erwies sich erneut US-Präsident Donald Trump, der über sein Portal Truth Social der EU mit Strafzöllen von 50 Prozent drohte, deren Einführung bereits ab dem 1. Juni erfolgen könnte. Die unmittelbare Marktreaktion ließ nicht auf sich warten: Der DAX gab um 2,5 Prozent nach, während Gold deutlich zulegte. Diese Bewegung könnte die im April eingeleitete Konsolidierungsphase endgültig beenden.
Der August-Goldkontrakt GCQ25 mit Volume und Open Interest in der Handelswoche 21.
CoT-Daten und Marktstruktur
Die aktuellen COT-Daten der US-Börsenaufsicht CFTC per 20. Mai 2025 zeigen interessante Verschiebungen in der Positionierung der großen Marktteilnehmer. Die Netto-Short-Position der Commercials stieg gegenüber der Vorwoche um 3,4 Prozent auf 197.648 Kontrakte. Parallel dazu nahm die Netto-Long-Position der großen Spekulanten um 1,7 Prozent auf 163.981 Kontrakte zu.
Der Open Interest aller gehandelten Kontrakte kletterte im Vorwochenvergleich um 1,6 Prozent auf 448.000 Kontrakte und erreichte bis Handelsschluss am Freitag weitere 458.101 Kontrakte – ein Anstieg von 3,5 Prozent von Freitag zu Freitag.
Volume und Open Interest aller COMEX Goldkontrakte — Qu.: CME Group
Im Optionshandel stieg der Open Interest um weitere 4 Prozent auf 1.211.936 Optionen. Die Put/Call-Ratio erhöhte sich auf 0,764 gegenüber 0,734 in der Vorwoche. Dies bedeutet, dass auf 100 Put-Optionen zuletzt 131 Call-Optionen entfielen, verglichen mit 136 in der Vorwoche. Der Goldpreis-Optimismus bleibt damit deutlich überwiegend, schwächte sich allerdings erneut ab.
COMEX-Lagerbestände unter Druck
Die Goldlagerbestände an der COMEX zeigen bereits in der siebten Woche in Folge einen Rückgang. Die CME Group meldete per 22. Mai 2025 Gesamtbestände von 38,78 Millionen Unzen – 140.000 Unzen weniger als eine Woche zuvor. Besonders auffällig entwickelten sich die zur sofortigen Auslieferung verfügbaren Gold-Bestände der Kategorie "eligible", die um 840.000 Unzen auf 16,71 Millionen Unzen sanken.
Bei einem Open Interest von 458.101 Kontrakten war der Gold-Futures-Handel an der COMEX zuletzt mit 85 Prozent durch Lagerbestände gedeckt, nach 88 Prozent in der Vorwoche und dem Rekordstand von 98 Prozent am 10. April 2025.
Für den Kontraktmonat Mai meldete die CFTC 25.291 Delivery Notices – Anträge auf physische Auslieferung von etwa 78 Tonnen Gold. Innerhalb einer Woche kamen 2.157 Anträge hinzu.
Chinesische Goldpreis-Aufschläge
Gold wurde in China in der dreiundzwanzigsten Woche in Folge über dem internationalen Goldpreis gehandelt. Am Donnerstag notierte das Edelmetall an der Shanghai Gold Exchange mit 776,85 Yuan pro Gramm, umgerechnet 3.366 US-Dollar pro Unze. Gleichzeitig kostete Gold am europäischen Spotmarkt 3.326 US-Dollar, wodurch der Abstand auf 40 US-Dollar pro Unze stieg.
Langfristige Performance mit gemischter Bilanz
Die fundamentale Analyse zeigt ein differenziertes Bild der Goldperformance. Über die vergangenen dreieinhalb Jahrzehnte erwies sich Gold als die schwächste unter den großen Anlageklassen – sowohl in absoluten Zahlen als auch risikoadjustiert. Es blieb hinter Aktien und Immobilien zurück und erzielte ähnliche Renditen wie Anleihen, jedoch mit dreifach höherer Volatilität.
Verschiebt man jedoch den Betrachtungszeitraum um nur zehn Jahre nach hinten, führt Gold die Rangliste an. Über die vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte war es die beste Anlageklasse in absoluten Zahlen und übertraf Aktien, Anleihen sowie andere Sachwerte wie Immobilien.
Volatilität und lange Stagnationsphasen
Die hohe Volatilität Golds zeigt sich in oft jahrzehntelangen Stagnationsphasen. Nach dem inflationsgetriebenen Höchststand von 1980 fiel Gold real über zwei Jahrzehnte und erreichte seinen inflationsbereinigten Höchststand von 1980 erst im Februar 2025 wieder – ein realer Drawdown von 45 Jahren.
Der Grund für diese Schwankungen liegt in der Natur des Edelmetalls: Es produziert weder Einkommen noch Erträge, weshalb sein Wert nahezu ausschließlich von Stimmungen bezüglich Inflation, makroökonomischem Stress und der Glaubwürdigkeit von Fiatwährungen abhängt.
Inflationsschutz nicht verlässlich
Entgegen der weitverbreiteten Annahme funktioniert Gold nicht zuverlässig als Inflationsschutz. Zwar performte es in den 1970er Jahren gut, doch über die vergangenen vier Jahrzehnte war die Korrelation mit der US-Inflation im Durchschnitt negativ, nicht positiv.
Während des Inflationsanstiegs von 2020 bis 2022 fielen die Goldpreise sogar und machten das Edelmetall zu einer der schwächsten Anlageklassen in diesem Zweijahres-Zeitraum.
Opportunitätskosten steigen
In einem Umfeld, in dem Anleger nun 4 bis 5 Prozent aus Anleihen und Kern-Sachwerten erzielen können, werden die Opportunitätskosten für das Halten von Gold real spürbar. Im Gegensatz zu produktiven Anlagen existiert kein zugrundeliegender Cashflow, der über die Zeit wachsen könnte. Jede Rendite hängt vollständig von Preisveränderungen ab, die stark von Stimmungen abhängen.
Kern-Sachwerte hingegen lieferten über die vergangenen drei Jahrzehnte bemerkenswert stabile Renditen, wobei die Erträge oft mehr als zwei Drittel der Gesamtrendite ausmachten.
Strategische Rolle in Portfolios
Vor dem aktuellen Hintergrund hat Gold durchaus seinen Platz in Portfolios. Als Absicherung gegen geopolitische Schocks, Deglobalisierung und schwindendes Vertrauen in Fiatwährungen kann eine bescheidene Allokation Diversifikation und Optionalität bieten. Angesichts der jüngsten Rally bereuen viele Anleger möglicherweise, nicht mehr Gold besessen zu haben.
Gold ist jedoch kein Allheilmittel. Es ist volatil, generiert kein Einkommen, hat eine uneinheitliche Bilanz als Inflationsschutz und durchlief lange Stagnationsphasen. Andere Kern-Sachwerte wie Infrastruktur, Immobilien und Timberland teilen viele defensive Eigenschaften Golds, bieten aber gleichzeitig größere Stabilität und einen stetigen Ertragsstrom.
Gold sollte daher nicht als Patentlösung betrachtet werden, sondern als Quelle der Diversifikation und Optionalität innerhalb einer breiteren Sachwerte-Strategie. Allein mag es unzuverlässig sein, doch in Kombination mit ertragsgenerierenden, volatilitätsärmeren Anlagen wie Infrastruktur oder Immobilien kann es Portfolios für verschiedene Marktregime stärken.
In einer Welt erhöhter Unsicherheit macht der Besitz von etwas Gold Sinn. Sich allein auf Gold als einzigen Diversifikator zu verlassen, macht es nicht.
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